BIG-Event

BIG-Event

Das Projekt "Blühende Industriegebiete" endete mit der Veranstaltung BIG-Event

Seit 2018 arbeiteten 58 Auszubildende und Dual Studierende auf ihrem Betriebsgelände an der Verbesserung der biologischen Vielfalt und der Außenraumgestaltung im Industriegebiet Nord. Mit der Abschlussveranstaltung „Big Event“ am 25. September 2020 wurde das Projekt „Blühende Industriegebiete“ nun  zu Ende geführt.

Das Programm startete mit Exkursionen mit Bus und Rad zu den beteiligten vier Unternehmen, die ihre Firmentore geöffnet haben. Dort präsentierten die Auszubildenden ihre umgesetzten Projekte.

Weiter ging es mit ca. 80 Gästen um 16:00 Uhr in der Messe Freiburg mit Grußworten von Alexander Bonde, dem Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und von Richard Tuth vom badenova Innovationsfonds für Klima- und Wasserschutz.

Im Anschluss folgte die Präsentation des Projektes durch den Initiator Hans-Jörg Schwander und die Prämierung der Azubi-Teams durch Synthia Diele von der IHK Freiburg als Vertreterin der Jury. Die Übergabe der Preise übernahm Bernd Rigl, Mitglied im Vorstand der Sparkasse Freiburg, die die Preise für den Wettbewerb zur Verfügung gestellt hatte. Der erste Platz ging an das Team von TDK-Micronas, gefolgt von zwei zweiten Plätzen für die Auszubildenden von badenova und ASF und dem dritten Platz für die FWTM. Die Jury fand lobende Worte für alle Teams und war stark beeindruckt vom Engagement der Auszubildenden.


Ebenfalls ausgezeichnet wurde das Team der Innovation Academy e.V. durch den Generalsekretär der DBU Alexander Bonde als offizielles Projekt der UN-Dekade „Biologische Vielfalt“. In der Begründung der Fachjury heißt es: „Das Projekt hat einen innovativen und erfolgsversprechenden Ansatz verfolgt biologische Vielfalt im Bereich von Unternehmen weiter zu verankern.“

Der Titel „Ausgezeichnetes Projekt zur UN-Dekade Biologische Vielfalt“ wird für einen Zeitraum von zwei Jahren verliehen. Die Expertinnen und Experten der Jury beurteilen zunächst, ob das Projekt einen Bezug zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt hat. Die weitere Bewertung erfolgt via Punktesystem nach folgenden Kriterien:

  • Beitrag zur Erhaltung
  • Multiplikationswirkung
  • Kooperation
  • Innovation
  • Langfristigkeit
  • Bezug Schwerpunkthema
Auszeichnung durch DBU-Generalsekretär Alexander Bonde als offizielles Projekt der UN-Dekade „Biologische Vielfalt“.

Bei der Vorführung des Projektfilms „Blühende Industriegebiete“ konnten sich dann die Gäste bequem zurücklehnen und gleichzeitig mehr über das Projekt erfahren.

Schließlich wurden die 10 ausdrucksstärksten  Fotos des Foto-Wettbewerbs „Grün statt Grau“ durch den Fotografen Albert Josef Schmidt prämiert. Nicht nur „schöne“ Tier- und Pflanzenfotos wurden berücksichtigt, sondern auch Fotos von „grauen Ecken“. Alle 10 Ausgewählten wurden mit mehrjährigen, insektenfreundlichen Blütenstauden belohnt, die 3 ersten Plätze zusätzlich mit einem Geldpreis.

Als letzter Teil der Projekt-Abschlussveranstaltung „Big Event“ fand in der Messe eine lebhafte Podiumsdiskussion unter dem Stichwort „Transformation vom Industriegebiet zum Green Industry Park“ statt. Diskutiert haben Hanna Böhme (FWTM), Roland Jerusalem (Leiter Stadtplanungsamt Freiburg), Dr. Gerhard Bronner (LNV Baden-Württemberg e.V.), Simone Thomas (Frauenbeauftragte Stadt Freiburg), Hans-Jörg Schwander (Innovation Academy e.V.). Die Moderation übernahm Sebastian Bargon (Rundfunk-Journalist).

Teilnehmer des Podiumsgesprächs von links nach rechts: Roland Jerusalem, Hanna Böhme, Dr. Gerhard Bronner, Sebastian Bargon, Simone Thomas, Hans-Jörg Schwander

Im Folgenden skizzieren wir den Verlauf des 90-minütigen Gespräches mit den Kernaussagen der Podiumsteilnehmer*Innen:

Vorwort von Hans-Jörg Schwander: Im Rahmen des Projektes „Blühende Industriegebiete“ ist das Thema Verkehr von den Auszubildenden ganz am Anfang als Top-Thema benannt worden, 80% der Strecken im Industriegebiet Nord würden mit dem Auto zurückgelegt. Dies führe zu Staus. Die Azubis haben sich aber auf schnell umsetzbare Projekte in ihren Unternehmen konzentriert. Im eigenen Umfeld Wohlfühlorte zu schaffen und davon noch während der Ausbildungszeit selbst zu profitieren, dies sei ihr Hauptanliegen gewesen.

Im Podiumsgespräch wurde an das Thema zunächst mit der Frage herangegangen, wie sollten Industrie- und Gewerbegebiete zukünftig überhaupt aussehen in Freiburg und anderswo. Er wünsche sich eine offene Diskussion, zumal im Industriegebiet eine große Fläche, die sogenannte Cerdiafläche kürzlich an die FWI verkauft worden ist. Nicht nur deswegen ist Hanna Böhme als erste Freiburger Wirtschaftsförderin eingeladen worden. Wenn etwas neu in der Stadt überplant werden kann, dann käme der Baubürgermeister ins Spiel, der aber kurzfristig absagen musste. Gekommen ist der oberste Stadtplaner Roland Jerusalem. Auch die Frauenbeauftragte Simone Thomas ist der Einladung gefolgt. Denn viele Frauen, die im Industriegebiet arbeiten, würde die Frage umtreiben, welche Gefahren es dort besonders für Frauen gäbe. Eingeladen war auch Anja Radermacher, die das Bocholter Modell für nachhaltige Unternehmensansiedlung hätte vorstellen sollen. Wegen Corona-Beschränkungen hat sie aber nicht aus NRW ausreisen dürfen. Aus Stuttgart ist Dr. Gerhard Bronner vom Landesnaturschutzverband angereist. Von ihm wünschte sich Schwander Impulse zum Thema Biodiversität und Flächenverbrauch.

Ganz besonders freue er sich, dass der Hörfunkjournalist Sebastian Bargon das Gespräch moderiere.

Moderator Sebastian Bargon

Sebastian Bargon stellt sich kurz vor als Hörfunkjournalist, der schon über 30 Jahre beim SWR als Reporter und Redakteur arbeitet. Er leitet das Thema ein, indem er auf die Demonstrationen von Fridays for Future Bezug nimmt, die z.B. dafür plädierten, dass die „Rettungs“-Milliarden in eine nachhaltige Wirtschaft investiert werden sollten.

Auch Freiburg habe das ehrgeizige Ziel, bis 2040 die Klimaneutralität zu erreichen. Thema: Wie könnten Industriegebiete wie das Industriegebiet Nord in einen Green Industry Park umgewandelt werden? Es gehe nicht um einzelne Betriebe, sondern um das 300 ha große Gelände mit einem Bedarf von 20 Prozent Strom und einem Ausstoß von 10 Prozent der CO2-Emissionen der Stadt Freiburg. Die Frage laute also: Wie kann man die Situation verbessern?

Wie könne man Energie einsparen und was müsse geschehen, damit das Industriegebiet Nord für die 15.000 Menschen, die dort arbeiten, zu einem Wohlfühlort werden? Er nimmt Bezug auf die Projekte der Azubis, die unheimlich engagiert seien und kleine Schritte in ihrem Betrieb unternommen und damit viel verändert hätten. Und wie könne es gelingen, dass Menschen auf umweltfreundliche und sichere Art dorthin gelängen? Stichworte: Stadtbahnverlängerung? Neue Fahrradwege?

Wie könne dieser Transformationsprozess beschleunigt werden? Durch Anreize vom Bund, Land oder sogar der Stadt?

Hans-Jörg Schwander: Im Industriegebiet Nord gäbe es ca. 500 Unternehmen, die ganz unterschiedlich seien: Betriebe der Automobilbranche, Möbelmärkte wie IKEA, Möbel Braun und XXXLutz, eine sehr gute Kunstgalerie mit der Paul Ege Art Collection (PEAC), Supermärkte wie Rewe und Aldi, aber auch Industrieunternehmen wie Pfizer, TDK-Micronas und Cerdia, Hotel, FKK-Palast und Wohngebäude. Im FNP sei sogar ein Bereich für experimentelles Wohnen ausgewiesen. Also insgesamt eine bunte und wilde Mischung.

Sebastian Bargon wendet sich an Roland Jerusalem: Glauben Sie, dass eine Transformation möglich ist, oder ist es eher eine Illusion, dass Menschen hier im IG leben, sich auf umweltfreundliche Art bewegen und sich hier sicher fühlen?

Roland Jerusalem: Beim Thema Wohnen im Gewerbegebiet sei er ein bisschen sensibel geworden. Derzeit werde ein Gewerbeflächen-Entwicklungskonzept erstellt, das quasi einfließe in den nächsten Flächennutzungsplan 2040. Damit werde quasi die Zukunft der Stadt für die nächsten 15-20 Jahre definiert. Hierfür habe man sich die Gewerbegebiete in Freiburg angeschaut und festgestellt, dass es so viel Fremdnutzung gäbe und dass man nicht empfehlen könne, das Wohnen dort zu mischen. Denn Wohnen verändere die Bodenpreise und führe zu einer Konkurrenzsituation, zudem brauche Wohnen auch eine andere Infrastruktur.

Sebastian Bargon wendet sich an Simone Thomas mit dem Thema Sicherheit.

Simone Thomas: Zum Stichwort „Sicherheit“ seien Industriegebiete sogenannte Angsträume. Tagsüber seien sie gefährlich für Fahrradfahrende und nachts seien sie „No-Go-Areas“ vor allem für Frauen. Das Thema Sicherheit im öffentlichen Raum sei ein ganz wichtiges Thema für alle, es beeinflusse aber die Lebensrealität von Frauen ganz anders, denn die Kriminalitätsfurcht sei ausgeprägter. Frauen hätten in der Nacht mehr Angst, vor allem in Angsträumen, wie z.B. in Unterführungen etc. Es gäbe eine Evaluation dazu, die das bestätigt habe. Nach den beiden Morden in Freiburg und Endingen und einer Gruppenvergewaltigung im Industriegebiet sei diese Angst noch gewachsen und geschürt worden. Sie findet die Vision eines Wohlfühlortes eine schöne Vision. Bei der Entwicklung von Industriegebieten hätte es den 1970er Jahren jeweils einen Platz zum Arbeiten, zum Wohnen und für die Freizeit gegeben. Das wollten wir so nicht mehr! Areale, die gemischt seien, kämen gut an, vor allem bei Frauen. Es sei vorteilhaft für Frauen, wenn die Gebiete mobil gut zu erreichen seien, z.B. mit dem Fahrrad, wenn Kinderbetreuung in der Nähe sei. In einem gemischten Areal sei so etwas viel einfacher umzusetzen.

Simone Thomas (Frauenbeauftragte Stadt Freiburg)

Sebastian Bargon: 80% der Angestellten fahren mit dem Auto ins IG Nord. Frage an Herrn Bronner: Es gibt eine Studie vom LNV über Parkplätze. Was ist dabei herausgekommen?

Dr. Gerhard Bronner (LNV Baden-Württemberg)

Dr. Gerhard Bronner: Der LNV beschäftige sich seit Jahrzehnten mit dem Flächenverbrauch und besonders mit der Umwandlung von landwirtschaftlicher Fläche in Siedlungs- und Verkehrsfläche. Aktuell läge der Siedlungsflächenanteil im Land bei 15%. Pro Tag würden weitere 5 Hektar neu versiegelt, davon ca. 1-2 Hektar für Industrie und Gewerbe. Der Wegfall landwirtschaftlicher Fläche bedeute mehr Import von Nahrungsmitteln. Dadurch verändere sich die Landschaft, die gewachsene Kulturlandschaft verschwände. Der LNV habe für einige Landkreise berechnet, wie viel Fläche sich durch mehrstöckige Parkgaragen sparen ließe im Vergleich zu ebenerdigem Parken. Circa 10% der Fläche könne man sparen und z.B. für Bebauung nutzen. Das werde aber nicht passieren, da Bauland in Gewerbegebieten zu billig sei. Der Quadratmeter müsse 1.000€ kosten, damit sich mehrstöckiges Parken lohne. Schlussfolgerung: Nur durch Vorschriften lasse sich dies realisieren.

Sebastian Bargon spricht Hanna Böhme auf Ihre Erfahrungen in Singapur an. Wie werde dort bei dem sehr begrenzten Platzangebot geparkt?

Hanna Böhme: Die Fläche sei sehr teuer, da sie extrem begrenzt sei und daher werde auch beim Parken eine ganz andere Höhe der Gebühren erreicht. Wenn man es in Freiburg so teuer machen würde, käme man ganz schnell an einen Kipppunkt, wo die Unternehmen sagen würden, Freiburg sei zwar schön, aber man könne auch irgendwo anders hingehen.

Sebastian Bargon stellt fest, dass das Thema Parkplätze durch Corona auch in der Innenstadt wichtiger geworden sei, Stichwort Außengastronomie. Frage an den Stadtplaner Roland Jerusalem: Parkplätze in die Höhe bauen, gehe das oder welche Schwierigkeiten gäbe es?

Roland Jerusalem: Es brauche eine Gegenfinanzierung für die Parkierungsanlagen. Die Diskussion hätte es auch beim neuen SC-Stadion gegeben. Am Ende habe man sich gegen eine mehrstöckige Parkierung entschieden, da es zu teuer geworden wäre. Allerdings mache nachdenklich, dass das IG-Nord im Klimaanpassungskonzept ein Hotspot sei und bei ebenerdigem Parken falle Fläche weg, die begrünt sein könnte. Er habe sich vor Ort ein Bild machen können und stelle die Frage, wie hoch der Stellenwert, z.B. für die Anpassung an den Klimawandel derzeit sei. Aktuell werde natürlich viel über das Budget entschieden und das sei meist knapp. Aber vielleicht sei das zu kurz gedacht. Stichwort „Starkregen“, denn Entwässerung sei generell derzeit ein wichtiges Thema, besonders wegen des zunehmenden Starkregens. Wir könnten nicht so weitermachen wie bisher, sondern müssten uns bei jedem Baugebiet „extrem mit dem Thema auseinandersetzen“. Für die Versickerung benötige man Fläche und dadurch werde das Bauen teurer.

Dr. Gerhard Bronner: Porsche habe in Weissach durch ein Parkhaus ehemalige Parkplätze in Fläche für neue Produktionsanlagen umwandeln können. Daimler plane das Gleiche in Rastatt. Eine Erweiterung sei geplant, aber wegen Schutzstatus der angedachten Flächen nicht möglich gewesen. Die bisherigen Parkplätze würden überplant und durch ein Mobilitätsmanagement sollten weniger Mitarbeiter mit dem Auto kommen. Firmen würden das nur machen, wenn Sie Druck hätten, wenn z.B. eine Erweiterung sonst nicht möglich sei.

Hanna Böhme: Lokale Beispiele für geplante mehrstöckige Parkdecks gäbe es im Industriegebiet Nord auch mit ASF, Badenova, Fraunhofer IAF. Bei der FWTM habe es heute ein Gespräch mit einem Architekten über ein mehrstöckiges Parkdeck in Holzbauweise gegeben. Diese Überlegungen fänden auch hier statt. Die Verkehrswende sei vielfältig: Eine Freundin aus Hamburg sei bei ihrem Freiburgbesuch so begeistert gewesen von der hiesigen Fahrradinfrastruktur. Die FWTM biete den Mitarbeitenden Jobrad an, sei beim Projekt Industrieradler dabei. Aber eine interne Umfrage habe ergeben, dass über 50% der Mitarbeitenden nicht in Freiburg wohnen würden und auch nicht alle mit guter ÖPNV-Anbindung. Trotz vieler Angebote wollten daher viele nicht auf das Auto verzichten. Sie empfände es als Luxus, dass sie persönlich die Möglichkeit habe, ohne Auto zur Arbeit zu kommen.

Hannah Böhme (FWTM)

Sebastian Bargon fragt Hans-Jörg Schwander, was denn bislang Begrüßenswertes im IG Nord gemacht worden sei?

Hans-Jörg Schwander: Als erstes falle ihm das Projekt Green Industry Park mit dem Wärmenetz ein und die vielen PV-Solaranlagen auf den Dächern. Aber man müsse z.B. die Frage stellen, warum es keinen Stadtbahn-Ringschluss nach Gundelfingen gebe. Wer aus dem Norden komme, müsse mit dem ÖPNV zunächst zum Hauptbahnhof, dann mit der Stadtbahn und der neuen Buslinie fahren, das mache niemand. Laut Bürgermeister Martin Haag habe es vor vielen Jahren von Gundelfinger Seite eine Absage für eine solche Trasse gegeben. Wie stehe man heute zu einem Ringschluss im Stadtplanungsamt?

Roland Jerusalem: Er kenne diesen früheren Ansatz mit dem Ringschluss nicht und müsse den Baubürgermeister fragen. Er denke aber, dass mit der Verlängerung der Stadtbahn an die Grenze nach Gundelfingen dort eine Diskussion für eine Verlängerung losgehen werde. Gerade würde die Erweiterungsstrecken für Stadtbahn diskutiert, und es gäbe aktuell andere Prioritäten: St. Georgen, Verlängerung Littenweiler. Viel werde schon gemacht, aber natürlich mache es Sinn, weitere Projekte anzudenken. Die Finanzierung müsse allerdings geklärt werden.

Walter Moser aus dem Publikum: Er erwähnt das Forum Klima der Wochenzeitschrift ZEIT. Es seien Beispiele aus Berlin, HH, Amsterdam genannt und die These vertreten worden, dass man ein holistisches Konzept entwickeln müsse, wie auch ohne Auto Mobilität möglich sei.

Sebastian Bargon spricht ein neues Thema an, was passiere mit den 16ha der Cerdia-Industriebrache?

Hanna Böhme: Die Fläche gehöre der FWI, an der die Sparkasse 70% und die FWTM 30% halte. Es werden Gespräche geführt werden, was mit dieser „wertvollen“ Fläche geschehe. Es gäbe in FR und im Umland kaum freie Gewerbeflächen. Daher werde es erstmal ein Gewerbeflächenentwicklungskonzept geben. Ein Aspekt für den zukünftigen Umgang könne eine Verdichtung sein. Daher werde es immer Thema sein in die Höhe zu bauen wie z.B. im Gewerbegebiet Haid-Süd mit dem Unternehmen Stryker-Leibinger. Dort gäbe es auf dem Campus Bächle, Grün und Honig würden gemacht, es müsse nicht alles grau sein in Industriegebieten. Es gäbe dort auch keine Gasleitungen wegen der strengen Energieeffizienz. Aber Industriegebiet und Wohnen sei nicht gut kombinierbar wegen des Lärms.

Richard Tuth aus dem Publikum: Er fordert ganzheitliches Denken ein. Bei der Badenova habe es schon lange Diskussionen gegeben, dass es zu wenige Parkplätze gäbe. Jetzt mit Corona habe sich alles geändert und die Büros und Parkplätze seien nicht ausgelastet. Wie könne man dies für die Zukunft nutzen und dafür sorgen, dass weniger Mitarbeiter zum Arbeiten zum Arbeitsplatz fahren müssen und dafür mehr Homeoffice nutzen könnten. Er plädiert für aktives Suchen nach innovativen Lösungen. Man solle sich jetzt nicht ausruhen und dann zu der „Vor-Corona-Situation“ zurückkehren, sondern möge die Impulse nutzen.

Hanna Böhme: Sie spricht das Förderprogramm Regiowin an. Es würden verschiedene Projekte entwickelt und diskutiert, z.B. Co-Workingspaces im ländlichen Raum. Zu Hause arbeiten gehe oft nicht wegen Kinder etc., daher könnten dezentrale Co-Workingspaces in der Nähe der Wohnorte eine Hilfe sein. Nur zu Hause arbeiten sei nicht gut, aber man müsse auch nicht immer zum Arbeitsplatz.

Sebastian Bargon spricht die Leitlinien aus Bocholt an und die Idee „Natur auf Zeit“ und fragt Jerusalem und Böhme, ob man in Freiburg Ähnliches plane.

Roland Jerusalem: Man gehe seit zwei Jahren einen neuen Weg. Die Stadt versuche, wenn möglich, Flächen selbst zu kaufen, um die eigenen Vorstellungen besser umsetzen zu können. Gute Liegenschaftsarbeit sei wichtig für gute Stadtplanung. Das sähe man auch in Freiburg mit den Stadtteilen Vauban und Rieselfeld, während im Güterbahnareal mehr möglich gewesen wäre, wenn die Stadt mehr Einfluss gehabt hätte. Das sei in der Verwaltung und der Politik angekommen.

Hanna Böhme: Jede Fläche sei mit einer Funktion belegt. Betriebswirtschaftliches Denken sei wichtig. Green Industry Park (GIP) sei bereits erwähnt worden und die Cerdia sei ein Unternehmen, das vom Projekt profitiere, indem es die Abwärme liefern könne. Natürlich könne vieles besser werden, aber selbstverständlich spielten ökologische Gedanken für die FWTM eine wichtige Rolle.

Sebastian Bargon fragt Bronner nach seinem revolutionären Gedanken

Dr. Gerhard Bronner: Natürlich sei es gut, bestehende Gewerbegebiete zu optimieren. Aber am meisten könne man bei neuen Gebieten machen und es stelle sich die Frage, ob man überhaupt neue Gewerbegebiete in Freiburg ausweisen solle. Hierdurch werde der Druck auf die Stadt nur verschärft, und aufgrund des Wohnraummangels würden Menschen zu weiten Pendelstrecken gezwungen. Firmen sollten sich besser in strukturschwachen Gebieten ansiedeln. Was habe man davon, wenn Freiburg irgendwann 300.000 Einwohner habe.

Hanna Böhme: Bei Haid-Süd handle es sich dort um regionale Firmen. Man versuche nicht, internationale Firmen anzulocken, aber müsse den regionalen Firmen Flächen für eine mögliche Erweiterung anbieten können. Auch Spin-Off-Unternehmen aus Universität und Fraunhofer Instituten benötigten Flächen.

Roland Jerusalem: Im Flächennutzungsplan müsse diskutiert werden, was für eine Stadt gewünscht werde. Es werde mehrere Szenarien geben: Wachsende Stadt, Stagnierende Stadt. Welche Trends werde es geben? Es sei zu kurz gedacht zu sagen, dass keine neuen Gewerbegebiete mehr benötigt würden. Vielleicht sähen die komplett anders aus in Richtung Mischgebiete. Aktuell würden Fachkonzepte beauftragt, die in die Diskussion zum FNP einfließen würden. Beim letzten FNP seien gar keine Szenarien diskutiert worden, sondern man habe sofort Flächen diskutiert. Die Frage „Wie soll die Stadt aussehen“ sei damals nicht gestellt worden. Dieser programmatische Schritt sei aber sehr wichtig, um überhaupt zu einem Konsens in der Stadtgesellschaft zu kommen.

Hans-Jörg Schwander: Über Parkplätze sei bereits gesprochen worden, aber man müsse aufzeigen, bei 15.000 Arbeitsplätzen und 80% Anreise mit PKW seien das 12.000 PKW plus 8.000 PKW für Besucher*innen multipliziert mit 12m² Parkflächenbedarf plus Zuwegung, dann komme man auf ca. 56ha von 300ha Gesamtfläche. Das böte eine Chance für umfangreiches Flächenrecycling.

Lärm sei ein zweiter Punkt. Heute könnten wir so bauen, dass bei 3-Fachverglasung kein Lärm mehr in das Gebäude komme. So könnten auch Wohngebäude in Industrie- oder Gewerbegebieten platziert werden. In Rieselfeld und Vauban gäbe es auch gewerbliche Bereiche, warum das Ganze nicht auch umgekehrt andenken? In diesen Gewerbegebieten gäbe es immer auch ruhigere Ecken. Wichtig sei, wie der Verkehr geführt werde und dass solche Gebiete zukünftig nicht zu klimatischen Hotspots würden.

Große, versiegelte Parkplatzfläche als klimatischer Hot-Spot am Möbelhaus XXXLutz im IG Nord

Simone Thomas: Sie wagt die These, dass das Auto in den Großstädten aussterben werde. Kein Auto sei bei ihr persönlich der Fall und auch bei Ihren Kindern und vielen Bekannten. Daher werde sich das Parkplatzproblem irgendwann von alleine lösen. Bei der Lärmproblematik müsse man auch bedenken, dass es normal sei, dass die Menschen gut gestaltete Orte wie den Platz der alten Synagoge, die renaturierte Dreisam nutzen würden. Daraus entstünden Konflikte, die man lösen müsse.

Prof. Dr. Dr. Albert Reif aus dem Publikum: Er findet es gut, dass es in bestehenden Gewerbegebieten so viel Potenzial gäbe und verstehe auch, dass man lokalen, wachsenden Unternehmen Platz bieten müsse. Er spreche die globale Ungleichheit an und fordere, dass das Wachstum, das Zubauen, der zunehmende Flächenfraß irgendwann ein Ende haben müsse. Die hiesigen Firmen würden immer effizienter und bereiteten der Wirtschaft in anderen Regionen wie beispielsweise in Südeuropa oder Ländern des Ostblocks immer mehr Probleme. Die Armen blieben arm, die Reichen würden immer reicher. Es brauche ein generelles Umdenken.

Erhard Schulz aus dem Publikum: Er lobt die Beispiele aus dem Projekt und hofft, dass das Projekt für andere Firmen Anreize schaffe. Er möchte von den städtischen Vertretern wissen, wie man die Unternehmen unterstütze, um eine Entwicklung hinsichtlich „grünerer“ Industriegebiete zu fördern.

Hannah Böhme spricht den städtischen Biodiversitätsplan an, der auch Angebote für Firmen beinhalte. Unternehmen könnten sich vom Umweltschutzamt beraten lassen. Ihr Unternehmen FWTM sei vom Aufsichtsrat gebeten worden, sich stärker mit dem Thema Biodiversität zu befassen. Sie würden schon einiges machen, z.B. Begrünung oder Flächen für Eidechsen bereitstellen. Sie seien im Austausch mit dem Umweltschutzamt, was noch möglich sei. Es gäbe aber auch Konflikte, z.B. dass die Ansiedlung bestimmter, geschützter Vogelarten auf dem Gelände der Messe zu Einschränkungen bei der primären Nutzung des Messplatzes führen könne. Hier müsse man positive Erfahrungen sammeln, damit auch Unternehmen der freien Wirtschaft nicht aus dieser Sorge heraus ablehnend seien.

Sebastian Bargon spricht Roland Jerusalem an, der wohl einen Plan mitgebracht hat und was es damit auf sich habe.

Roland Jerusalem: Er hat den Bebauungsplan von 1978 dabei und hat sich angeschaut, welche Vorgaben es damals in Bezug auf Vegetation und Begrünung gegeben habe, z.B.:

  • Nach jedem vierten Stellplatz solle es einen Baum geben.
  • Vorgärten müssten vegetativ gestaltet werden
  • Alle 6m einen Baum in der Vorzone auf privaten, wie auch auf städtischen Flächen pflanzen

Da gäbe es noch Potenzial in Bezug auf Klimaanpassung, und wir müssten eigentlich nur unsere eigenen Pläne ernst nehmen.

Das bedeute, dass die Kollegen im Jahr 1978 auch nicht naiv gewesen seien, auch ohne das Problem des Klimawandels.

Roland Jerusalem (Leiter Stadtplanungsamt Freiburg)

Sebastian Bargon: Könne man es so deuten, dass die Stadt jetzt Leitlinien in Bezug auf die Gestaltung von Industriegebieten erarbeite?

Roland Jerusalem: Das Beispiel Bocholt habe ihn persönlich sehr überzeugt. Dort gäbe es eine intensive Beratung auch bezüglich möglicher Förderungen, damit Projekte auch finanziert werden könnten. Außerdem eine Grundstücksvergabe, die entsprechende Vorhaben honoriere, so dass das beste Konzept am meisten Punkte erhalte und damit den Zuschlag.

Hannah Böhme: Bei Haid-Süd habe man auch Beratungsgespräche angeboten.

Dr. Horst Hamm aus dem Publikum: Er müsse nochmals die 12.000 Autos ansprechen, die täglich ins Gebiet hineinfahren. Er denke dabei an den Verkehrsplaner Heiner Mohnheim und dessen zentrale Botschaft, dass immer auch der Raum mitgedacht werden müsse. Er denke an das Beispiel von München, wo bei Schulsanierungen auch die Parkplätze verknappt würden. Wichtig sei aber auch die Bundespolitik mit der Pendlerpauschale, die jeden Kilometer mit dem PKW steuerlich mit 30 Cent subventioniere.

Sebastian Bargon: Jeder auf dem Podium solle noch einen Wunsch äußern, was im IG Nord zukünftig passieren könnte.

Hans-Jörg Schwander: Er spricht das Projekt im Einkaufszentrum Weingarten an mit der Aufstockung mit Holz und sähe die Möglichkeit dies für Gewerbegebiete zu nutzen. Seit 2017 gäbe es die Möglichkeit, urbane Gebiete auszuweisen. Die neue Cerdiafläche der FWI habe 16ha Fläche. Darin könnte zweimal das Baugebiet Gutleutmatten mit 8ha untergebracht werden. Das wären Wohnungen für 2.600 Menschen. Angesichts der Wohnungsknappheit stelle sich verstärkt die Frage, wie wir zukünftig mit der Ressource Fläche auch in Gewerbegebieten umgehen. Urbanes Gebiet könne heißen, dass beruhigte Bereiche in Gewerbegebieten auch für günstiges Wohnen genutzt werden könnten.

Im neuen Stadtteil Dietenbach würden 16 Parkhäuser gebaut, also warum sei dies nicht auch im Gewerbegebiet möglich? Alles zusammen zu denken und das Thema Klimawandel zu berücksichtigen, böte Potenzial auch für kreative Entwicklungen in Gewerbegebieten.

Hans-Jörg Schwander (Innovation Academy e.V.)

Hanna Böhme: Die meisten Unternehmen würden so wenige Stellplätze wie möglich anbieten wollen, da dies teuer sei. Dann hätten sie aber zu wenige Parkplätze und es würde im öffentlichen Raum geparkt. Auch wenn viele sagen, sie bräuchten kein Auto, gäbe es auch in Freiburg immer mehr Autos. Die Verkehrswende müsse kommen, aber sie sei noch nicht da.

Roland Jerusalem: Er nenne den Bereich der Ensisheimer Straße als konkretes Beispiel für Schwierigkeiten einer Umwandlung eines Gewerbegebietes. Dort sollten Teilbereiche in ein Mischgebiet oder urbanes Gebiet umgewandelt werden, aber es sei sehr schwer, die Eigentümer der Grundstücke zu überzeugen, da sie dann z.B. auf Rechte zum Lärm machen verzichten müssten. Dort komme man nicht wirklich weiter, obwohl Gespräche geführt würden und ein Projektmanager extra dafür arbeite. Was Herr Schwander sagt, höre sich gut an, aber in der Realität sei es oft sehr schwer, dass die Akteure nicht mitmachen würden, sondern jeder nur an sich denke.

Sebastian Bargon nimmt mit, dass es nur im Team klappen könne.

Simone Thomas: Sie wünscht sich ein lebendiges und menschengerechtes Gewerbegebiet und frage sich, warum das positive Beispiel Vauban nicht mehr miteinfließe.

Dr. Gerhard Bronner: Aus seiner Perspektive könne er in Bezug auf Verkehrspolitik nur neidvoll nach Freiburg schauen. Im ländlichen Raum sei noch nicht mal angekommen, dass es ein Problem sei, dass jeder mit dem Auto fahre oder ein Einfamilienhaus auf 700m² Fläche baue. Freiburg sei da weiter und bemühe sich, sparsam mit Flächen umzugehen und werde vielleicht noch besser werden. Er könne Freiburg dann in seiner Arbeit als positives Beispiel nutzen.

Hanna Böhme: Sie wünscht sich, dass man im Dialog bleibe. In einer Stadt gäbe es viele unterschiedliche Meinungen. In Freiburg werde bereits viel gemacht, und es sei vielleicht besser, Unternehmen kämen hierher als in andere Orte mit weniger Regeln. Sie meine auch, dass Wachstum für eine Stadt dazugehöre und die Stadtteile Wiehre, Rieselfeld und Vauban noch nicht so alt seien. Nun komme der Stadtteil Dietenbach hinzu, und sie wolle nicht diejenige sein, die sage, dass jetzt Schluss sei und Freiburg nicht mehr wachsen dürfe.

Sebastian Bargon fragt Roland Jerusalem, ob sein zukünftiger Nachfolger mit seiner Arbeit zufrieden sein werde.

Roland Jerusalem: Er würde sich über produktive Diskussionen im Rahmen des Flächennutzungsplanes freuen, damit man wisse, was gewünscht werde. Auch würde er sich freuen, wenn man herausfände, was Gewerbegebiete könnten und was nicht. Industriegebiete seien nochmal etwas anderes, aber er denke, in Gewerbegebieten gäbe es noch viel Potenzial. Wenn dann ein Nachfolger sage, die hätten damals schön diskutiert, dann würde ihm das reichen.

Hans-Jörg Schwander: Er wolle abschließend hinzufügen, sie hätten damals schön diskutiert aber dann auch gehandelt.

Das Projekt wird gefördert durch